Würden sich mit einem bedingungslosen Grundeinkommen die Steuern so sehr erhöhen, dass viele in die Schwarzarbeit abwandern und damit die Finanzierung des Grundeinkommens zusammenbricht?
Zunächst ein Beispiel, das die Zahlenverhältnisse darstellt. Angenommen, ein Auftraggeber ist bereit, 20 Euro für eine Arbeitsstunde zu zahlen, zum Beispiel für eine einfache handwerkliche Leistung. Wenn der Auftragnehmer alles sauber versteuert, dann bleiben letztlich nur acht Euro Nettogehalt für den Auftragnehmer übrig. Denn Mehrwertsteuer, die kompletten Sozialversicherungsbeiträge und die Lohnsteuer müssen abgeführt werden. Berücksichtigt man auch noch weitere Abgaben wie Lohnsummensteuer, Beiträge und umsatzabhängige Gewerbesteuer so würde das Nettogehalt noch weiter schrumpfen. Dieses typische Beispiel dient der Orientierung, je nach Steuersituation des „Arbeiters“ können sich auch etwas andere Werte ergeben.
Arbeitet der Auftragnehmer schwarz, so bekommt der „Arbeiter“ den zweieinhalbfachen Stundenlohn auf die Hand. Also auch schon ohne ein Grundeinkommen ist Schwarzarbeit äußerst attraktiv! In der Praxis werden Auftraggeber und Auftragnehmer den Vorteil der Schwarzarbeit untereinander aufteilen, was aber nichts an der Höhe der Steuerhinterziehung oder deren Attraktivität ändert.
Wie verändern sich die Verhältnisse mit Einführung eines Grundeinkommens? Per Definition sei festgelegt, dass sich alle Endpreise, also auch der Preis der korrekt versteuerten Arbeitsstunde nicht verändere, und somit weiterhin 20 Euro betrage. Der Nettostundenlohn wird sinken, da die Einkünfte aus Grundeinkommen und Nettolohn ja nicht höher als der bisherige Nettolohn sein können. (Dies gilt natürlich nur für jemanden, dessen Verdienst genau dem Durchschnittseinkommen entspricht, individuell kann das auch anders aussehen!). Ein realistischer Ansatz wäre, dass sich das Nettogehalt halbiert. Die andere Hälfte ist dann das Grundeinkommen. Über welche Steuer das Grundeinkommen abgegriffen wird ist hier völlig belanglos. Es kann eine erhöhte Umsatzsteuer, eine erhöhte Lohnsteuer oder eine Kombination sein.
Ist die Schwarzarbeit attraktiver geworden? Im alten System hat man je Arbeitsstunde um 12 Euro betrogen, im neuen um 16 Euro, das ist kein so wahnsinnig großer Unterschied. Man könnte natürlich auch sagen, bisher hat Schwarzarbeit den 2,5-fachen Lohn gebracht, nun den 5-fachen, das ist schon ein ernsthafter Unterschied.
Wie gesagt, es spielt dabei gar keine Rolle, ob das Grundeinkommen über die Einkommensteuer, die Umsatzsteuer oder die Sozialbeiträge umgelegt wird, alles wird ja bei der Schwarzarbeit hinterzogen. Nur insofern die Einkommensteuer auch und verstärkt Kapitalerträge heranzieht wird Schwarzarbeit weniger lukrativ, wohl aber „Schwarzverzinsung“. Auch eine erhöhte Energie- und Rohstoffsteuer ließe sich einfach kontrollieren und würde damit die Attraktivität der Schwarzarbeit etwas verringern
Das bisherige kann man so zusammenfassen. Schon heute ist Schwarzarbeit äußerst attraktiv. Mit einem Grundeinkommen wird Schwarzarbeit noch attraktiver, aber im noch überschaubaren Rahmen,
Ich denke nicht, das die Schwarzarbeit ein grundsätzliches Argument gegen das Grundeinkommen ist. Ja, sie wird attraktiver und ja, man wird sie verstärkt unterbinden müssen. Dabei wäre zu berücksichtigen:
In einem System mit Grundeinkommen wäre die Grundzufriedenheit höher, es würde sich nicht jeder als „Steueropfer“ sehen.
In Verbindung mit einer radikalen Vereinfachung des Steuersystems, würde die Akzeptanz zu zahlen steigen (allein wegen des Wegfalls des sozialen Ausgleichs wird das Steuersystem viel einfacher sein). Keiner könnte sich hinter einem als kompliziert oder ungerecht empfundenen Steuersystem verstecken.
Ein einfaches Steuersystem wäre auch einfacher zu überwachen.
Heute gilt Steuerhinterziehung als „cool“. Keiner wird sich auf einer Party damit brüsten, dass er einer alten Frau die Handtasche geklaut hat, wohl aber damit, wie er dem Finanzamt ein Schnäppchen geschlagen hat. Grundeinkommen und ein vereinfachtes Steuersystem könnten dazu führen, dass das eine so wenig akzeptiert wird wie das andere.
Durch die Vereinfachung im Steuersystem stünde viel Personal zur Verfügung, das Schwarzarbeit verfolgen könnte.
Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Schwarzarbeit heute stillschweigend geduldet wird. Vielleicht aus sozialen Gründen? Würden diese nicht mit einem Grundeinkommen wegfallen?
Etwas schwierig sehe ich die Abgrenzung von Nachbarschaftshilfe und Steuerhinterziehung. Passe ich heute auf die Kinder meiner Nachbarin auf, und diese morgen auf meine: Ist das schon steuerpflichtig? Was ist, wenn sich Wohn-Kommunen zusammentun, die Grundeinkommen „kassieren“, aber vieles in gegenseitiger Hilfe tun, vom Haare schneiden über das Gärtnern bis zum Sanieren der Wohnungen und Reparatur der Fahrzeuge - ohne über Steuerzahlungen die Gemeinschaft daran partizipieren zu lassen?
Übrigens halte ich Schwarzarbeit für ein unglückliches Wort. Es ist doch wunderbar wenn gearbeitet wird, da kann doch nichts Schlechtes dabei sein. Schädlich ist nur, wenn die Gesellschaft nicht beteiligt wird. Man sollte also besser von Schwarzkonsum oder von Steuerhinterziehung sprechen.