Viele beklagen die hohe Ungleichheit der heutigen Einkommen. Verschiedene Instrumente zur „Bekämpfung“ dieser Ungleichheit werden immer wieder vorgeschlagen: Reichensteuer, Mindestlöhne, Erbschaftssteuer, progressive Steuern, Zuschüsse für Arme. In der Praxis erweisen sich aber alle diese Instrumente als stumpf, die Einkommen werden immer ungleicher. Hingegen hätte das Grundeinkommen die Kraft, die Schere zwischen Arm und Reich zu verringern, und zwar vollautomatisch ohne irgendwelche zusätzliche Instrumente.
Warum das so ist, soll in diesem Artikel hergeleitet werden. Damit man das ganze im Kopf nachrechnen kann, wird mit stark vereinfachten Zahlen gerechnet. Es geht nicht um die genauen Beträge, sondern um das dahinter stehende Prinzip.
Angenommen, die Summe aller Einkommen aller Bürger betrage 1.600 Milliarden Euro im Jahr. Im Durchschnitt entspricht das 1.600 Euro im Monat für jeden Bürger. Aber nur im Durchschnitt. In Wirklichkeit sind die Einkommen ungleich. So dass die eine Hälfte des Gesamteinkommens sich z. B. 80 % der Bürger teilen müssen, während die andere Hälfte unter 20% der Bürger verteilt wird. Folglich bekommen „die Armen» 1.000 Euro je Person und Monat „die Reichen" hingegen 4.000 Euro je Person und Monat. (In diesem Artikel geht es immer um Nettoeinkommen, also das, was tatsächlich bei den Bürgern ankommt. Und es sind immer alle Bürger gemeint, nicht nur die, die arbeiten, also auch Kinder, Rentner, Hausfrauen und -männer). Die Reichen haben also ein viermal so großes persönliches Einkommen wie die Armen.
Nun wird ein Grundeinkommen eingeführt. Damit es einfach zu rechnen ist, soll genau die Hälfte des Gesamteinkommens bedingungslos an alle ausbezahlt wird, so dass JEDER 800 Euro Grundeinkommen erhält. Die andere Hälfte des Gesamteinkommens sind weiterhin klassische Einkommen, also bedingte Einkommen für zum Beispiel Arbeit oder Kapitalerträge
Diese klassischen Einkommen werden natürlich wieder ungleich verteilt. Nehmen wir an, dass sich von diesen Einkommen wieder die Hälfte unter 80 % Armen und die andere Hälfte unter 20 % Reichen aufteilt. Das sind dann die halben Beträge aus der vorigen Rechnung also 500 bzw. 2.000 Euro.
Das Gesamteinkommen beträgt somit für die Armen 1.300 Euro (800 + 500), und für die Reichen mit 2.800 Euro (800 + 2000). Die Reichen haben ein nur noch doppelt so hohes Einkommen wie die Armen. Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich durch das Grundeinkommen verkleinert.
Könnte es aber nicht sein, dass die Reichen sich das nicht gefallen lassen und irgendwie eine Aufteilung der bedingten Einkommen so hindrehen, dass sie wieder vier mal so viel wie die Armen erhalten?
Theoretisch ginge das, dazu müsste sich das reiche Fünftel der Bürger 80% der klassischen Einkommen „unter den Nagel reißen“ und hätten damit je Person 16 mal höhere klassische Einkommen als die Armen!
Aber warum sollten die Armen sich das gefallen lassen? Warum sollten sie für 200 Euro im Monat einer Arbeit nachgehen, die die Reichen so reich macht? Dann arbeitet der Arme doch lieber gleich gar nicht. Oder ehrenamtlich für eine Sache, die er für sinnvoll hält. Oder dort, wo die Einkommen angemessen sind, also dort, wo sich die Reichen nicht so viel unter den Nagel reißen.
Das Faszinierende ist, dass dieser Mechanismus allein aufgrund des Grundeinkommens funktioniert. Es bedarf gar keines gesetzlichen Ausgleichs mehr. Wer ein Grundeinkommen UND Mindestlohn, Steuerprogression, Schutz der Armen und Bestrafung der Reichen usw. fordert der hat die Sprengkraft eines Grundeinkommens noch nicht verstanden.
Die Ungleichheit der Einkommen wird durch ein Grundeinkommen abgebaut, übrigens ganz egal wie das Finanzierungsmodell aussieht!
Da der Abbau der Ungleichheit gar kein Ziel in der Definition des Grundeinkommens ist (jeder bekommt ein existenzsicherndes Einkommen) kann der hier erläuterte Effekt als eine sicher sehr interessanter Nebenwirkung eines bedingungslosen Grundeinkommens betrachtet werden.