Der Vorwurf, dass keiner mehr arbeitet, wenn es ein Grundeinkommen gibt wird gerne wie folgt widerlegt: Fragt man den Gesprächspartner, ob er noch arbeiten würde, dann antwortet dieser fast immer mit ja, nur die anderen, die würden nicht mehr arbeiten. Da aber fast alle so antworten sei der Beweis erbracht, dass der einzelne nur misstrauisch ist, aber faktisch fast alle auch mit einem BGE arbeiten würden.
Nun, ein wasserdichter Beweis ist dies nicht. Es gibt genügend Umfragen die zeigen, dass oft das Fremdbild realitätsnäher ist als das Selbstbild. Schon die Umfrageergebnisse, ob man regelmäßig die Zahnbürste wechselt weichen stark von den Absatzzahlen der Hersteller ab. Man könnte das Ergebnis der Würden-Sie-noch-arbeiten-Frage etwas schelmisch sogar so auslegen: Alle Befragen sind sich darin einig, dass mit einem BGE nur noch einer von Millionen arbeitet!
Bleibt also weiter die Frage im Raum stehen, ob bei einem Grundeinkommen noch alle arbeiten.
Die Frage ist falsch gestellt. Es kommt doch gar nicht darauf an, dass alle arbeiten. Wenn ich heute eine gewisse Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen habe, und diese auch in Zukunft habe, dann ist es belanglos, ob dafür alle arbeiten, oder ob jeder zehnte, jeder dritte oder gar jeder zweite nicht mehr arbeitet. Die richtige Frage wäre doch allenfalls die: Wird noch genug produziert?
Dafür, dass mit einem Grundeinkommen gleich viel oder sogar mehr produziert würde spricht, dass nach Einführung eines BGE die Wirtschaft wesentlich effizienter arbeiten könnte: Keine falschen Rücksichten bei der Rationalisierung, Entlastung von sozialen Pflichten, Kreative haben mehr Freiraum. Es müssten keine Beschäftigten in den Betrieben mitgeschleppt werden, die eigentlich gar nicht arbeiten wollen. Das sind natürlich nicht mehr als plausible Annahmen, die zutreffen können, oder auch nicht.
Aber selbst wenn es anders käme, wäre es denn so schlimm, wenn die Produktion etwas sinkt? Seit 1970 hat sich unser Wohlstand etwa verdoppelt, und so schlecht ging es uns damals doch auch nicht. Wenn also nur noch halb so viele Menschen arbeiten, könnten wir immerhin den Wohlstand von 1970 erreichen. Aber unter viel freieren Rahmenbedingungen! Grenzt es nicht schon fast an Sklaverei, wenn wir uns gegenseitig zwingen müssen, zu arbeiten? Und ich bin mir sicher: Es arbeitet auch bei einem BGE mehr als die Hälfte! (Übrigens muss auch das Grundeinkommen sinken, falls insgesamt weniger produziert würde, denn es muss logischerweise immer unter dem Durchschnitt der Pro-Kopf Produktion liegen)
Die Frage, ob alle noch arbeiten geht aber tiefer als die, ob das Sozialprodukt steigt oder fällt oder gleich bleibt. Dahinter steckt der Neid, dass ich, der ich arbeite, andere „mitfüttere“, die nicht arbeiten. Und das ist es auch, was das oben genannte Befragungsergebnis wirklich empirisch belastbar zeigt: Die Angst der Menschen, dass sie arbeiten und andere nicht. Ganz egal, ob es ihnen unter dem Strich materiell gut geht oder nicht, sie gönnen es den anderen einfach nicht. Und selbst ich kann diesen Neid ein Stück weit nachvollziehen.
Sich genau anzuschauen, woher dieser Neid kommt und wie er überwunden werden kann, ist sicher eine wichtige Aufgabe bei der Umsetzung des BGEs. Vielleicht eine wichtigere, als Theorien über die wirtschaftlichen Effekte eines BGEs zu erstellen.