In dem ganzen Buch von Norbert Blüm habe ich keine Definition gefunden, was „ehrliche“ Arbeit eigentlich sein soll. Ob es gar unehrliche Arbeit gibt, und was das wäre.
Wohl schreibt Blüm ein leidenschaftliches Plädoyer für die Arbeit. Dass uns Arbeit von der Langeweile befreit (Seite 144), dass Arbeit eine Teilhabe an der Gesellschaft ist (Seite 142), dass die Arbeit nie ausgehen werde, denn: „In der Sache aber sind uns die Möglichkeiten, als Menschen für andere Menschen Lebensnotwendiges, Nützliches oder Angenehmes zu tun, beinahe unbegrenzt“. Er schildert die Begegnung mit einem von seinem Beruf ergriffenen Kellermeister bei dem er lernte, dass die Achtung der Arbeit nicht mit Geld zu bezahlen ist. (Seite 778 ff.).
Alles richtig, alles zutreffend und teilweise noch philosophisch untermauert mit Zitaten von Hannah Arendt und geschichtlich von der Bibel bis zu Marx diskutiert: Arbeit ist für den Menschen lebenswichtig.
Wodurch aber sieht Blüm die ehrliche Arbeit gefährdet? Blüm spricht es nicht direkt aus, aber es ist offensichtlich: Er kann sich Arbeit nur und ausschließlich als bezahlte Erwerbsarbeit vorstellen. Und wo dann das Bezahlen nicht funktioniert, dort sieht er die Arbeit gefährdet. Schnell ist dann auch der Schuldige gefunden: Das internationale Kapital.
Dabei wäre es doch von der Erkenntnis, „dass die Achtung der Arbeit nicht mit Geld zu bezahlen ist“ nur ein kleiner Sprung, ein bedingungsloses Grundeinkommen zumindest mal wohlwollend anzusprechen.
Aber an diesen Punkt kommt der Autor nicht. Wortreich beklagt er Änderungen in der heutigen Arbeitswelt: Dass es viel Werbung und Schaumschlägerei gibt, dass es viel konzeptionelle Arbeit gibt, deren Ergebnisse meistens gar nicht umgesetzt werden, dass Jobnomaden um ihr Überleben kämpfen. Man könnte meinen, für Blüm sei nur das Arbeit, wo morgens um sieben Uhr die Sirenen heulen und alle sich ans Fließband stellen und dass alle Veränderungen in der Arbeitswelt von Übel seien. Im gleichen Abschnitt kommt er zwar zur Erkenntnis, dass „die Reduzierung der Kreativität auf das ökonomisch Verwertbare zugleich ihr Tot ist“, was ihn aber nicht daran hindert, auf bezahlter Erwerbsarbeit als Allheilmittel zu pochen
Irritiert liest man dann an paar Seiten weiter die weisen Worte „Die Erwerbsarbeit nach heutigen Lebensmustern gibt es nicht seit eh und je und sie sich wird auch nicht ewig so bleiben“ (Seite 242) und „neben der materiellen Entlohnung werden andere Formen der Bestätigung treten“. (Seite 243). Und fast meint man, nun käme ein Loblied auf das Grundeinkommen wenn man den Satz liest: „Sinn-Arbeit … besteht (auch) aus der Befriedigung, ... wertvolle Arbeit zu leisten, weil sie anderen Menschen hilft."
Allerdings sieht Blüm solche Arten von Arbeiten, die Spaß machen und Sinn stiften im Gegensatz zu einer Art von Arbeit, die sich „nicht der Notwendigkeit der Selbstüberwindung und der Anstrengung entledigen kann“ (Seite 246). Und so ist für Blüm ein funktionierendes Grundeinkommen unvorstellbar, weil es von denen erwirtschaftet werden muss, die in der „alten Arbeit" verblieben sind, und also brav ihre Steuern und Sozialabgaben zahlen. Weil sonst keiner die „Maloche eines Kanalreinigers“ übernehmen würde. Anstatt an dieser Stelle zu fragen, wie sich Lohnarbeit zu Zwangsarbeit eigentlich verhält, greift er zu dem Bild von „Biene und Blüte" für das Verhältnis von Lohnarbeit zu Freiwilligenarbeit.
Dem Leser werden akrobatische Gedankengänge zugemutet wenn ein Kapitel über die „Entpuppung der neuen Arbeit“ mit kreativen Ideen und dem Aufzeigen neuer Wege eingeleitet wird dann unkritisch behauptet wird, dass alles nur klappen kann, wenn weiterhin „alte Arbeit“ geleistet wird, wenn das alte System von Einkommenssteuern und Sozialabgaben weiter bestünde.
Fazit: Ein verworrenes Buch, man hat den Eindruck, der Autor weiß auch nicht so richtig wohin er will. Was auch völlig legitim wäre, wenn er Missstände und Widersprüche in unserer Welt aufzeigen würde. Das macht Norbert Blüm zwar, teilweise sogar witzig und originell. Er kommt aber nie auf die offenen Fragen, weil er ständig die undefinierte „ehrliche Arbeit“ als Schein-Lösung präsentiert und damit alles zukleistert.
Lesenswert sind die kurzen biografischen Einschübe über seine Zeit bei Opel, seine Arbeit im Weinkeller und die Arbeitsbiografie seines Vaters.