Helmut Creutz ist
bekannt als streitbarer Ankläger unseres derzeitigen
Wirtschaftssystems, das immer mehr Geld zu denen leitet, die ohnehin
schon reich sind. In einem Aufsatz hat Creutz sich zum Grundeinkommen
geäußert.
www.humane-wirtschaft.de/03-2009/creutz_grundeinkommen-oder-kapitaleinkuenfte.pdf von Helmut Creutz, der in der Ausgabe 3/2009 von „Humane Wirtschaft“ veröffentlicht wurde. Ohne diesen Artikel gelesen zu haben, dürften meine nachfolgenden Ausführungen kaum verständlich sein.
Zunächst teilt Creutz die deutschen Haushalte in drei Gruppen auf mit geringem (A), mittlerem (B) und hohem (C) Haushaltseinkommen. Dann führt er rechnerisch ein Grundeinkommen von 800 Euro je Person ein. Dieses Grundeinkommen finanziert sich durch Verbrauchsteuern in Höhe von 57 % auf die Bruttopreise aller Produkte . (Der Kaufpreis der Produkte bleibt aber gleich hoch, also sinken die Nettopreise entsprechend, dies entspräche dann einem nettobezogenen Steuersatz von über 100 % auf alle Produkte.)
Aus diesen Zahlen rechnet er, wer „die Lasten“ eines Grundeinkommens trägt, und kommt zu dem Schluss, dass hier ein Transfer in Richtung der Haushalte mit niedrigem Einkommen von den beiden anderen Gruppen erfolgt.
Bei näherer Betrachtung der Zahlen fällt aber auf, dass Creutz stillschweigend davon ausgeht, dass sich die Gesamteinkommen der jeweiligen Haushalte durch ein Grundeinkommen um keinen Euro ändern. Er geht quasi davon aus, dass die Gesamteinkommen der Haushaltsgruppen gottgegeben sind und sich lediglich die „klassischen“ Einkommen um das Grundeinkommen reduzieren. Für die Summe aller Haushalte ist dies natürlich völlig richtig. Von einem gleichbleibenden Einkommen der einzelnen Haushalte auszugehen ist aber unzulässig. Dieser Fehler resultiert unter anderem daher, dass Creutz in keiner Weise erläutert, mit welcher Maßnahmen die erforderliche Reduktion der klassischen Einkommen erfolgen soll. Geht er davon aus, dass jedem Haushalt genau der Betrag, den er als Grundeinkommen bekommt von seinen klassischen Einkommen abgezogen wird? Dann könnte man das BGE gleich ganz bleiben lassen! Viel sinnvoller wäre es, die Einkommen proportional zu verringern, also z. B. alle Einkommen auf hier 49 % zu verringern. Oder die klassischen Einkommen zwar nominal beizubehalten, aber die Preise in etwa zu verdoppeln. Die Kaufkraft der Gesamteinkommen bliebe dann unverändert, aber gerade das Kapital würde in seinem Wert halbiert, was Helmut Creutz eigentlich nicht traurig stimmen dürfte, auch wenn dies nur ein einmaliger Effekt wäre.
Wie auch immer man die Einkommensverringerung primär durch Gesetze usw. löst. Durch ein Grundeinkommen dürften sich auch sekundär sämtliche Einkommen untereinander verschieben. Ganz platt gesagt: Die Reichen könnten die von der Existenzangst befreiten Armen nicht mehr dazu erpressen, zu den ihn genehmen Konditionen für sie zu arbeiten. Ob und in welchem Maße es wirklich so kommt, kann man nicht vorausberechnen, aber man darf auch keineswegs stillschweigend einfach davon ausgehen, dass es nicht so kommt.
Aus diesem ersten Fehler ergibt sich auch der zweite Fehler in dem Aufsatz. Nach Creutz's Modell verdienen alle Haushalte genau so viel wie vorher und konsumieren auch genau so viel wie vorher. Wie kann man da von Lasten sprechen, die verteilt werden? Wenn sich die Haushalte ihre Einkommen „nach“ Grundeinkommen ansehen, also das was sie tatsächlich erhalten, ändert sich überhaupt nichts. Wenn aber alle genauso viel bekommen wie vorher und genauso viel konsumieren wie vorher, darf man auch nicht von einer Verteilung der Lasten sprechen. Diese Lastenverteilung ist nicht real, sondern ergibt sich allenfalls aus theoretischen Kennzahlen des Modells.
Setzt man anstatt 800 Euro ein Grundeinkommen von 1.000 Euro an, dann sieht man die beiden Fehler noch offensichtlicher. Denn die Haushalte mit geringem Einkommen bekommen dann überhaupt kein klassisches Einkommen mehr. Das heißt, man erwartet, dass sie arbeiten, kann diese Arbeit also solche in diesem Modell aber überhaupt nicht bezahlen.
Dieser Effekt zeigt sich auch schon bei 800 Euro Grundeinkommen: In der Gruppe A sinken die klassischen Einkommen auf 20 % des derzeitigen Wertes in der Gruppe C aber nur auf 77 %. Gerade wenn man mit Helmut Creutz davon ausgeht, dass in der oberen Gruppe die Einkommen überwiegend Zinseinkünfte sind muss es natürlich besonders schmerzen, dass die Arbeitseinkünfte viel mehr gestutzt werden als die Zinseinkünfte.
Creutz schreibt im vorletzten Satz, dass es eine kritische Grenze als Anreiz zu Erbringung von Arbeit gibt. Das ist aber kein Problem, sondern der Schlüssel zur Lösung! Salopp gesagt: Die reichen Bonzen der Haushaltsgruppe C werden es schon merken, wenn ihnen niemand mehr den Dreck wegräumt und niemand mehr zu ihrer Bereicherung schuftet. Mir ist es völlig unverständlich, dass ausgerechnet Creutz davon ausgeht, dass sich die Einkünfte der Haushalte mit hohem Kapitaleinkommen nicht ändern dürfen.
Im Weiteren will der Autor dann zeigen, dass die Umverteilung durch Zinsen höher ist als die Umverteilung durch Grundeinkommen.
Hier muss ich aber schon bei Tabelle 3 aussteigen, nach der die Einkünfte aus Zinsen in der Gruppe C mit 417 Mrd Euro höher wären als deren Gesamteinkommen von 339 Mrd Euro nach Tabelle 1. Dass das nicht sein kann, ist klar. Vielleicht wurde hier unzulässig Brutto mit Nettoeinkommen vermischt (bis zu dieser Stelle wird im Aufsatz richtigerweise immer von den verfügbaren Einkommen, also den Nettoeinkommen ausgegangen), vielleicht liegt ein anderer Rechenfehler vor.
Leider kann ich daher nicht weiter diesen Teil der Argumentation nachvollziehen. Bei plausiblen Zahlen hätte ich untersucht, ob wenigstens hier das Argument der Umverteilung und des Lastentragens trifft. Dazu hätte ich wie beim BGE zum Vergleich noch ein fiktives Modell mit „abgeschafften“ Zinsen hinzuziehen müssen und dargestellt, wie paradox es wäre, von gleichbleibenden Einkommen der Gruppen auszugehen.
Nicht nachvollziehbar ist auch die Behauptung, dass „die sozial positiven Wirkungen eines BGEs … durch kapitalbedingte Einkommensströme ins Gegenteil verkehrt“ werden sollen. Grundeinkommen macht alles noch schlimmer? Diese Aussage widerspricht auch dem Resümee des Aufsatzes, wonach durch ein BGE „die Situation zwischen den Haushaltsgruppen“ entspannt wird.
Fazit: Creutz argumentiert im Kreis, wenn er stillschweigend davon ausgeht, dass nach Einführung eines Grundeinkommens die Höhe der Gesamteinkommen der einzelnen Haushaltsgruppen eingefroren ist um danach eben dies zu beklagen. Creutz hat sich sicher sehr verdient gemacht, indem er auf das wachsende Problem der Einkommensverteilung von arm nach reich hinweist. Er hat sicher recht, wenn er davon ausgeht, dass dieses Problem allein durch ein Grundeinkommen nicht zu lösen ist. Er unterschätzt aber das revolutionäre Potential das darin liegt, wenn die reichen Haushalte nicht mehr die armen über Existenzsorgen erpressen können. Er unterschätzt auch, dass gerade ein Grundeinkommen der Frage nach den Zinseinkommen ganz neuen Schwung geben kann, dass es die Lunte sein kann die auch das Zinssystem in seiner heutigen Form zum Einstürzen bringen könnte.