Alle rufen nach mehr Arbeitsplätzen. Jeder, der etwas auf sich hält, brüstet sich damit, Arbeitsplätze zu schaffen. Aber ein Arbeitsplatz ist eigentlich gar nichts wert.
Was braucht der Mensch zum Leben? Brot zum Essen ein Dach über dem Kopf, ein Bett, Möbel, Kleidung, Fahrzeuge, gute Lebensmittel, Telefon und Internet, vielleicht alles noch in guter Qualität und reichem Umfang und mancher braucht vielleicht auch noch eine Segeljacht, um glücklich zu sein.
Aber wer braucht einen Arbeitsplatz? Dass alle diese Dinge erst durch menschliche Arbeit hergestellt werden müssen, ist doch eher notwendiges Übel als anzustrebendes Ziel. Deshalb versuchen sich die Menschen schon seit Jahrhunderten immer erfolgreicher um diese Arbeit zu drücken. Sie steigern die Effizienz der Produktion immer weiter. Um einen Kühlschrank herzustellen brauchte man 1960 noch 300 Arbeitsstunden, heute nur noch 24 Stunden (a)
Wer Arbeitsplätze fordert, meint aber eigentlich das Einkommen, um die gewünschten Produkte kaufen zu können, um an dem Produzierten teilhaben zu können. Und weil man sich ein Einkommen ohne Arbeit nicht vorstellen kann, verlangt man Arbeitsplätze.
Weil aber gar nicht mehr so viel Arbeit nötig ist, um die Dinge herzustellen, müssen dann zwangsweise immer mehr Dinge hergestellt werden, egal ob es einen Bedarf dafür gibt oder nicht. Notfalls müssen die Menschen in unproduktive Beschäftigungsinitiativen gezwungen werden, Hauptsache sie haben einen „Arbeitsplatz“.
Entscheidend ist nicht die Zahl der Arbeitsplätze, sondern das, was hinten herauskommt. Je weniger Arbeit dazu erforderlich ist, umso besser. Man kann ja durchaus verlangen, dass es mehr Produkte und Dienste geben soll, wenn dafür ein Bedarf ist. Meistens werden hierzu neue Arbeitsplätze erforderlich sein. Die Sache aber umzudrehen, und Arbeitsplätze zu verlangen, ohne dass es einen Bedarf an Produkten gibt, ist verrückt. Durch ständige Berieselung mit dem Arbeitsplatzargument merken wir diese Verrücktheit nur nicht mehr.
Wer würde eine Putzfrau für sich zu Hause anstellen und nachher damit prahlen: „Seit diese Putzfrau für mich arbeitet, habe ich viel mehr im Haus zu tun. Vorher reichte eine Stunde am Tag, nun aber erzeugt die Putzfrau so viel Arbeit, dass ich gottseidank jeden Tag eine Stunde früher aufstehen muss, um die Hausarbeit zu schaffen.“ Wunderliche Redensarten? Nach der Öffnung von Arbeitsmarktgrenzen in Europa hieß es sinngemäß: „Ja, es kommen nun viele ausländische Arbeiter. Aber indirekt schaffen diese hier viel mehr Arbeitsplätze, als sie uns wegnehmen!“
Aber Arbeit schafft doch auch Sinn und Lebensfreude? Ganz genau. Jedoch nur dann, wenn man dort anpackt, wo etwas zu tun ist, wo eine Aufgabe ruft. Nicht dort, wo es lediglich einen „Arbeitsplatz“ gibt. Und zu tun gibt es immer etwas. Wo es nichts mehr zu tun gibt, hat das Leben wohl auch keinen Sinn mehr. Aber dieses „Tun“ muss man viel tiefer und umfassender sehen als es die Arbeitsmarktdiskussion kennt. Arbeit kann auch sein, ein schwieriges Buch zu lesen, sich zu bilden, oder nach dem Ruf des Lebens zu suchen. Oder diesen Text hier zu lesen. Oder zu sehen, wo welche Hilfe gebraucht wird und das dann umzusetzen. Und sei es zu sehen, dass es ein Bedürfnis nach Segeljachten gibt.
(a) Handelsblatt, 24.3.2008. „Kaufkraft der Lohnminute“. Vereinfachend wird angenommen, dass die Lohnminute auch der Arbeitsminute entspricht.