Logo bedingungsloses Grundeinkommen

Katholiken in Politik und Verwaltung zum BGE

Zwar kein Buch, aber immerhin ein Faltblatt mit Argumenten gegen das Grundeinkommen drückte mir ein Mitglied des Verbandes „KKV - Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung“ in die Hand. Dreh- und Angelpunkt der Argumentation ist das Subsidiaritätsprinzip. Das Subsidiaritätsprinzip meint, dass die nächsthöhere Einheit immer erst dann eingreifen darf, wenn es die kleinere nicht schafft, also Stadtteil vor Gemeinde, Gemeinde vor Land, Land vor Staat, Staat vor Staatenbund. Nach meinen Recherchen ist das auch wohl tatsächlich eine katholische „Erfindung“.

Dieses Subsidiaritätsprinzip beziehen die Autoren des Faltblattes auf den einzelnen Menschen. Jeder solle zunächst einmal für sich selbst sorgen, nur wenn das nicht gehe, solle die Familie oder der Staat einspringen. Wörtlich heißt es: „Sozialpolitik bedeutet, jedem die Chance auf selbst geschaffenen Wohlstand zu geben".

Aber was wäre das - selbst geschaffener Wohlstand? Man müsste jemanden in ein abgeschottetes Alpental bringen, ihm aus christlicher Nächstenliebe vielleicht noch eine Ziege, eine Schaufel und eine Säge schenken, und dann soll er sich seinen Wohlstand selbst schaffen. Vielleicht gelingt es ihm ja, zu überleben mit selbst gemolkener Milch, einer eigenhändig gezimmerten Hütte und geschnitzten Pantoffeln. Das wäre selbst geschaffener Wohlstand. Aber das meinen sicher die Autoren nicht. Deshalb sollten sie auch nicht von selbst geschaffenem Wohlstand reden. Kein Mensch schafft heute den Wohlstand selbst, in dem er lebt. Jeder lebt ausschließlich von Produkten und Dienstleistungen, die andere erzeugen.

Gerade aus dem Subsidiaritätsprinzip - jeder soll so weit für sich selbst sorgen, wie möglich - folgt das Grundeinkommen, denn bei den heutigen Verhältnissen ist es ja überhaupt nicht möglich, seinen Wohlstand selbst zu schaffen. Die Autoren hingegen behaupten in völliger Verkennung der Realität, dass das Grundeinkommen unser soziales Gefüge auf den Kopf stellen würde. Ganz im Gegenteil: Ein Grundeinkommen würde endlich anerkennen, auf welchen Füßen unser heutiges System steht. Denn unser Bild von der sozialen Realität steht auf dem Kopf, wenn wir in diesem falschen Sinn fordern, jeder solle für sich selbst sorgen.

Natürlich muss heute jeder für sich selbst sorgen. Das betrifft aber eben nicht die materielle Absicherung und Dienstleistungen. Das betrifft das eigene, kritische Denken. Das betrifft das eigene Seelenheil. Das betrifft die Wahl eines Partners, einer sozialen Umgebung. Das betrifft aber vor allem auch, selbst einen sinnvollen Platz in der Gesellschaft zu finden. Einen Platz, an dem man etwas beitragen kann. Das war früher viel einfacher, als die Menschen innerhalb starrerer Gefüge in ihre Berufe und ihr soziales Umfeld hineinwuchsen. Heute ist die Welt bunter, nichts mehr ist selbstverständlich und es ist viel mehr Eigenverantwortung und Eigeninitiative erforderlich. Und so stimme ich den Autoren voll zu, dass der Staat nicht sagen soll „Ich kann das schon, ich mach das besser“. Warum will der Staat bestimmen, wer Kinder bekommt, indem er gut verdienenden Müttern ein wesentlich höheres Kindergeld zugesteht als gering verdienenden Müttern? Warum mischt sich die Stadtverwaltung ein, wenn es darum geht, ob ein „Hartz IV Kind“ Trompete üben oder besser Judo lernen soll? Woher will der Staat wissen, wie sich ein Mensch sinnvoll einbringen kann (1-Euro Jobs)? Das sind alles Eingriffe in die Eigenaktivität, die der Subsidiarität - ich würde es Freiheit nennen - widersprechen.

So gelesen, könnte ich sogar vielen Passagen in der KKV-Erklärung voll zustimmen: „Sozial ist, was den Einzelnen zu Eigeninitiative ermutigt und zur Eigenständigkeit befähigt“ Genau! Und weil jeder Mensch nur dann zur Eigenaktivität befähigt ist, wenn er ein Dach über dem Kopf hat, brauchen wir ein Grundeinkommen.

„Soziale Gerechtigkeit kann also bestenfalls Gleichheit der Ausgangschancen bedeuten … unter denen der einzelne die Möglichkeit erhält, durch eigene Leistung im Leben voranzukommen“. Richtig! Und weil jeder ohnehin etwas zu Essen braucht, um sich einzubringen, deshalb bringt ein Grundeinkommen genau diese Gerechtigkeit der gleichen Ausgangschancen.

Warum druckt der KKV so ein Faltblatt? Ich nehme nicht an, dass es hier um bezahlte Lobbyarbeit geht, sondern dass der KKV sich in die Entwicklung unsere Gesellschaft konstruktiv einbringen will. Dazu braucht er die Hilfe anderer (Papier, Druckerschwärze, Drucker, ein regendichtes Dach usw.). Keiner hat dem KKV reingeredet oder Bedingungen gemacht. Soll nicht jeder Mensch die Möglichkeit haben, sich einbringen zu können?

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