Mehr als acht Seiten widmet Thilo Sarrazin dem bedingungslosen Grundeinkommen. Er nennt es lieber leistungsloses Grundeinkommen. Dabei ist der Begriff „leistungsloses Grundeinkommen“ eines seiner vielen, fast absichtlich wirkenden Missverständnisse. Als ob es mit einem Grundeinkommen keine Leistungen mehr gäbe! Ich will nicht weiter auf Polemiken und falsche Aussagen eingehen, nur noch zwei Beispiele: Sarrazin schreibt, das Grundeinkommen werde kompliziert, weil das Lohnabstandsgebot eingehalten werden muss. Genau das Gegenteil trifft zu. Das Grundeinkommen ist einfach, weil es dann so etwas wie ein Lohnabstandsgebot nicht mehr geben muss und auch gar nicht mehr geben kann. Denn wenn jeder ein Grundeinkommen bezieht, dann gibt es auch keinen Abstand mehr. Merkwürdig ist auch, dass er behauptet, dass uns keineswegs die Erwerbsarbeit ausgehe, dann aber anhand von Zahlen nachweist., dass die bezahlten Arbeitsstunden in Deutschland seit langem und kontinuierlich zurückgehen.
All das trifft aber noch nicht den Kern. Sarrazin ist überzeugt, dass die Pflicht zur Arbeit den Menschen formt und bildet. „Je weniger aber man darauf besteht, dass jeder Mensch nach seinen Kräften einen Beitrag leistet umso mehr befördert man …. den Verzicht auf Quellen berechtigten Stolzes." Mit anderen Worten: Der Mensch muss zu seinem Glück gezwungen werden: Und nur der Staat weiß, was das Glück ist.
Das ist keineswegs rechtsaußen. So denkt die große Mehrheit. Insofern kann man dem Autor dankbar sein, dass er dies klar formuliert. Man kann ihm vor allem dankbar sein, weil er auch darlegt, wohin dieses Denken führt wenn man es konsequent anwendet. Er will nämlich Menschen zwingen zu arbeiten, völlig unabhängig davon, ob dies einen Sinn hat oder nicht: Zitat: „Es kann nicht ungerecht sein, alle erwerbsfähigen Empfänger von Grundsicherung zu einer Gegenleistung zu verpflichten. Dabei kann zunächst dahingestellt sein, wie produktiv diese Gegenleistung ist und ob sie überhaupt produktiv ist". So ehrlich hat das noch keiner gesagt.
Insofern ist dieses Buch ein Paradebeispiel für das alte Denken. Aus pädagogischen Gründen ist Erwerbsarbeit unersetzlich, deshalb darf uns die Erwerbsarbeit nicht ausgehen, notfalls muss man die Menschen zwingen, Sinnloses zu tun.
Wobei ich die Sorgen und Fragen von Sarrazin teilweise nachvollziehen kann. Perspektivlose Transferempfänger, übermäßiger Medien-, Alkohol- und Zigarettenkonsum (übrigens nicht nur bei Hartz IV Haushalten ein Problem, Herr Sarrazin!), vielleicht auch die Geburtenrate. Ich will auch nicht behaupten, dass mit einem BGE automatisch alles besser würde. Ich wünsche mir aber eine offene Diskussion, die auch die Freiheit des einzelnen sieht, und nicht aus dem Blick des starken Staates alle diese Symptome lösen will.